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Schweiz

Mythen und Fakten : Kommt es zur einer Ersetzung der nautischen Crew auf Binnenschiffen durch Angehörige aus sogenannten Drittsataaten?

3 Juni 2025

Immer wieder tauchen Gerüchte auf, dass zunehmend insbesondere phillipinische Matrosen auf europäischen Binnenschiffen angestellt werden. Nautilus International ist hierzu am Recherchieren und wird auf der öffentlichen Veranstaltung am 17. September 2025 Daten liefern.

In der Tat gab und gibt es schon lange nautische Besatzungsmitglieder auf Binnenschiffen aus den Philippinen, Indonesien, Türkei, einigen nordafrikanischen Ländern aber auch aus einigen Nicht EU-Ländern Osteuropas wie Serbien oder Nordmadzedonien. Und in der Tat tummeln sich auch spezialisisierte Crewing-Agenturen auf dem Markt, die die Vorzüge etwa von phillipinischen Crewmitgliedern preisen: „Die philippinischen Binnenschiffer zeichnen sich durch ihre Arbeitsbereitschaft, ihr Engagement, ihre Erfahrung, ihr Fachwissen und ihre Persönlichkeit aus. Der Matrose oder Steuermann ist freundlich, höflich und aufmerksam und trägt damit positiv zum Familiengefühl bei, das auf einem Binnenschiff oft vorherrscht. Die allgemeinen Fähigkeiten der philippinischen Binnenschiffer, wie Kochen, Putzen und Kommunikation tragen dazu hervorragend bei.“ (Online-Werbung einer Crewing Agentur)

Doch gibt es hier in der Tat eine steigende Tendenz? Im Service-Bereich der Fahrgastschiffe (River Cruise) kann man dies tatsächlich nachweisen. Dies allerdings nur in absoluten Zahlen, da die Branche – nach dem Einbruch in den Corona-Jahren - weiterhin wächst. Insgesamt kann man von derzeit ca. 20 000 Beschäftigten im Gastrobereich ausgehen, gegenüber knapp 18 000 im Jahr 2010. Der Anteil der Drittstaatsangehörigen beläuft sich nach diversen Schätzungen stabil bei 35% bis 45%.

Im nautischen Bereich gibt es europaweit in den letzten 13 Jahren einen leichten Beschäftigungsrückgang. Sehr deutlich ist in nahezu allen Ländern ein Fachkräftemangel bei den qualifizierten Nautikern zu vermelden. Aufgrund der bestehenden hohen Altersstruktur wird sich diese Knappheit an verfügbaren Nautikern in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Allein schon aufgrund dieser Tatsache kann also nicht von einer direkten Gefahr bzgl. einer Ersetzung von Crews durch Angehörige aus Drittstaaten die Rede sein.

 

Kein Sozialdumping durch gute Regulierung und GAV

Darüber hinaus lassen diverse Regulierungen zumindest in der Theorie es auch gar nicht zu, dass Mindeststandards unterschritten werden, dass also ein Matrose aus den Philippinen für die Unternehmen billiger ist. Dies gilt zuallererst überall dort, wo ein GAV mit einer Gewerkschaft wie Nautilus gilt. Daneben ist aber auch etwa der deutsche Mindestlohn zumindest für die Beschäftigung auf dem Rhein bedeutsam. Mit Blick auf die Schweiz wiederum gibt es Mindeststandards, die das Bundesamt für Migration (SEM) in Abstimmung mit Nautilus für jene Firmen festlegt, die für das Personal aus Drittstaaten VISA-Genehmigungen beantragt. Dies ist ja auch eines der Gründe, warum wir als Nautilus eine zu strikte VISA-Vergabe der Schweiz kritisieren, wie sie derzeit leider wieder zu vernehmen ist. Die Gefahr besteht, dass sich die Firmen dort ansiedeln, wo VISA leichter zu bekommen sind und zugleich weniger Sozialstandards zu erbringen sind (wie dies etwa in Zypern der Fall ist).

Allerdings stellt sich natürlich die Frage, warum überhaupt der Fachkräftemangel existiert. Wären die Löhne und Arbeitsbedingungen entsprechend hoch bzw. gut, bräuchte es ja auch keine Arbeitsmigration aus Osteuropa respektive eben den Drittstaaten.

Und natürlich kann und muss man argumentieren, dass durch die Möglichkeit des Zugriffs auf Crews aus Osteuropa und den Drittstaaten, der Anpassungsdruck auf die Firmen, bessere Löhne zu zahlen, gemindert wird. Allerdings gibt es vor allem im Frachtschiffbereich nun mal kurz- und mittelfristig wirtschaftliche Grenzen, die durch die billige Konkurrenz des Schienen- und Straßentransports gegeben sind.  

Veranstaltung

Wir wollen diese Thematik vertiefen während unserer öffentlichen Veranstaltung:

Galeriesaal des Volkshauses Basel am 17. September 2025 um 15.00

Probleme und Chancen: Trends Arbeitsmarkt Binnenschifffahrt

Mit Norbert Kriedel, Co-Autor der Studie „The European inland navigation sector labour market, 2024”, herausgegeben von der Zentralen Rheinkommission ZKR in Strassburg

 

Restriktive VISA-Vergabe für Drittstaasangehörige durch die Schweiz 

Wie oben angedeutet, hat sich die Situation bezüglich der VISA Vergabe in der Schweiz wieder verschärft und einige Schiffe legen schon nicht mehr in Basel, sondern in Hüningen auf der französischen Seite an. Zu befürchten ist darüberhinaus gar die Verlegung von Firmensitzen aus der Schweiz. Nautilus unterstützt deshalb die Bemühungen des SVS (Schweizer Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft). Wir zitieren aus einem entsprechenden Bericht anlässlich der Jahresversammlung im April 2025:

Ein weiteres wichtiges Thema, wenn nicht derzeit das zentrale Anliegen, betrifft die Visavergabe für Drittlandpersonal auf Kabinen- und Güterschiffen. Menschen aus Drittstaaten, die auf den Schiffen arbeiten, benötigen ein Visum. Es gilt grundsätzlich das Sitzprinzip bei der Visavergabe. Die Schweiz müsste also Mitarbeitenden von Schweizer Schifffahrtsunternehmen Visa ausstellen. Da sie dies aber nicht vorbehaltlos tut, werden Visa vor allem von Deutschland erteilt, dies in Nicht-Anwendung des Sitzprinzips. Aktuell werden diese Visa nur noch eingeschränkt erteilt, womit die Situation für die Schifffahrtsunternehmen sich stark zuspitzt. Erste Firmen haben deshalb entschieden, nicht mehr nach Basel zu fahren. Die Politik muss nun handeln!  Es braucht eine tragfähige Lösung auf Bundesebene, weil die Gefahr besteht, dass sich die Schifffahrtsbranche aus Basel zurückzieht. Regierungsrat Kaspar Sutter bestätigte in seinem Grusswort sich in Bundesbern für die Schifffahrtsbranche einzusetzen.“

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Weiterer Literature: SVS Generalversammlung: die Politik muss handeln. SVS CH

Ein weiteres wichtiges Thema, wenn nicht derzeit das zentrale Anliegen, betrifft die Visavergabe für Drittlandpersonal auf Kabinen- und Güterschiffen. Menschen aus Drittstaaten, die auf den Schiffen arbeiten, benötigen ein Visum. Es gilt grundsätzlich das Sitzprinzip bei der Visavergabe. Die Schweiz müsste also Mitarbeitenden von Schweizer Schifffahrtsunternehmen Visa ausstellen. Da sie dies aber nicht vorbehaltlos tut, werden Visa vor allem von Deutschland erteilt, dies in Nicht-Anwendung des Sitzprinzips. Aktuell werden diese Visa nur noch eingeschränkt erteilt, womit die Situation für die Schifffahrtsunternehmen sich stark zuspitzt. Erste Firmen haben deshalb entschieden, nicht mehr nach Basel zu fahren. Die Politik muss nun handeln!  Es braucht eine tragfähige Lösung auf Bundesebene, weil die Gefahr besteht, dass sich die Schifffahrtsbranche aus Basel zurückzieht. Regierungsrat Kaspar Sutter bestätigte in seinem Grusswort sich in Bundesbern für die Schifffahrtsbranche einzusetzen.“

Wir als Gewerkschaft haben bereits 2020 in einem offenen Brief an die entsprechenden Schweizer Behörden und PolitikerInnen festgehalten, wieso wir eine regulierte VISA-Praxis durch die Schweiz befürworten:

  • Die Visa-Vergabe an Drittsaaten ist in vielen EU-Ländern Recht und Praxis. Verzichtete die Schweiz ihrerseits darauf, würde dies ein Ausweichen vieler in der Schweiz angesiedelten Reedereien und Dienstleister auf entsprechende Länder bewirken. Eine Anhebung des Lohniveaus käme auf diese Weise jedoch nichtzustande. Hierfür müssten alle EU-Länder die Visa-Vergabe koordiniert einstellen. Dies ist jedoch völlig unrealistisch und auch politisch nicht wünschenswert.
  • Der Effekt des "Auswanderns" von in der Schweiz angesiedelten Firmen hätte für die Beschäftigten, die derzeit einen Schweizer Arbeitsvertrag besitzen, negative Folgen hinsichtlich des Niveaus ihrer sozialen Absicherung. Schon heute "betreuen" wir Beschäftigte, die etwa nach Unfall oder Krankheit Zugang zu zypriotischen Leistungen respektive zum Recht benötigen, faktisch erfolgslos. Beschäftige mit einem Schweizer Vertrag verfügen über im europäischen Vergleich sehr guten Sozialversicherungsleistungen bei vergleichsweise geringen Kosten.
  • Eine behördlich kontrollierte Visa-Vergabe ermöglicht eine Regulierung, die mithilft die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Bereits heute ist es Praxis, dass die Schweiz respektive das SEM an die bisherig gewährten Visa (also für die Schiffe, die massgeblich von bzw. nach Basel steuern) bestimme Standards knüpft.

Markierungen

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