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Kampagnenarbeit

Erfolgreiches Nautilus Seminar im Volkshaus Basel zu Arbeitsbedingungen in den Basler Häfen

14 Oktober 2022

Unter dem Motto „Faire und transparente Arbeit in öffentlichen Infrastrukturen sichern“ fand am 12. Oktober 2022 im Volkshaus Basel im Anschluss an die interne Jahresversammlung von Nautilus International Schweiz ein öffentliches Seminar statt.

Unter den 30 Teilnehmenden waren auch sehr viele Vertreter von lokalen Behörden, Medien, Politik, Terminalbetreibern, Manager von Logistikunternehmen, die Nautilus speziell mit dieser Veranstaltung auch erreichen wollte.

Anlässlich des bevorstehenden und öffentlich finanzierten Baus eines neuen trimodalen Terminals Gateway Basel Nord wollte die Veranstaltung einen Überblick über verschiedene Problematiken intransparenter und prekärer Arbeitsbedingungen in den Sektoren Schifffahrt, Strassentransport, Hafenumschlag und Schiene geben um dann die Chancen zu erörtern, den Bau und vor allen Dingen den Betrieb der Hafeninfrastruktur an Sozialstandards zu knüpfen.

Zunächst betonte der Generalsekretär von Nautilus International, Mark Dickinson, in seiner Begrüssungsrede die grosse Bedeutung der Region Basel mit seinen drei bestehenden Häfen für nationale und internationale Lieferketten. Mit der Anbindung über den Rhein an die drei ARA- Häfen in Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam sowie des neuen Güterschienentunnels durch die Alpen zum Mittelmeer verfügt die Kombination Schiff und Bahn über ein enormes ökonomisches und zunehmend ökologisches Potenzial. Auf der anderen Seite haben Verkehrsknotenpunkte wie Häfen stets eine fundamentale soziale Dimension, ein Hub wie Basel an der Grenze zu Frankreich und Deutschland, der von einer multinationalen Transportarbeiterschaft frequentiert wird, sogar in besonderer Weise.

Danach gab Wolfram Siede von der Schweizer Eisenbahnergewerkschaft einen Überblick über die Arbeitsbedingungen in den Bereichen Schiene, streifte aber auch den Bereich Hafenumschlag sowie LKW-Transport. In allen Bereichen sei seit den 1990 Jahren ein enormer Konkurrenzdruck zu spüren gewesen, der an die Beschäftigten weitergegeben wurde. Es ist zu Konzentrationsprozessen bei grossen Logistikunternehmen gekommen, in deren Folge auch die Zahl der Gesamtarbeitsverträge im Hafen gesunken sei.

Der Nationalsekretär von Nautilus International Schweiz, Holger Schatz, gab dann einen Überblick über die Tendenzen in der Schifffahrt. Neben den generell relativ niedrigen Löhnen in der Binnenschifffahrt, die stark von der deregulierten Gesamtsituation auf den Flüssen Kontinentaleuropas, bestimmt werden, sei am Binnenschifffahrtsstandort Schweiz seit einiger Zeit vor allem die Zunahme intransparenter Firmenkonstruktionen mithilfe von Briefkastenfirmen ein Problem. Hier geht es vor allen Dingen um niederländische Reedereien aus, die mittels eines Treuhänders oder Anwalts in der Schweiz, Arbeitsverträge nach Schweizer Recht ausstellen, während faktisch Management und Personalabteilung weiterhin von den Niederlanden aus operieren. Eigentlich hat ein Schweizer Arbeitsvertrag viele Vorteile, von dem schlechten Kündigungsschutz einmal abgesehen. So sind die Sozialabgaben und Steuern gering, es gibt eine gutes Pensionskassensystem, das im Alter gute Leistungen garantiert und es gibt auch für jedes Kind pro Monat ca. 250 Euro vom Staat als Kindergeld. Ist man jedoch bei einem „unechten“ Schweizer Arbeitgeber angestellt, dann häufen sich die Probleme sehr schnell. Vor allem in Ausnahmesituationen wie Unfällen, Havarien, Krankheiten etc. gibt es schnell Chaos, weil das niederländische Management und die Personalabteilung nicht viel vom Schweizer Recht verstehen und auch die Ansprechpartner vor Ort fehlen.

An einem Präzedenzfall hat Holger Schatz diese Problematik konkretisiert. Nach aufwendigen Recherchen konnte festgestellt werden, dass die niederländische Redeerei «Amershipping» Frachtschiffe unter niederländischer Flagge, aber mit einer Schweizer Ausrüsterbescheinigung, betreibt, auf denen 120 Nautiker mit einem Schweizer Arbeitsvertrag arbeiten. Mehrere Nautiker haben aufgrund der Fake-Konstruktion in der Vergangenheit Probleme bekommen und Nautilus international um Hilfe gebeten. Nautilus Schweiz versucht nun in Zusammenarbeit mit den KollegInnen von Nautilus Holland Schweizer und niederländische Sozialbehörden zu bewegen, diese Praxis zu stoppen und festzulegen, dass Amershipping ihre Angestellten in den Niederlanden rechtlich anstellen muss. Ein solcher Präzedenzfall würde den Druck auf die Behörden erhöhen, die gängige Praxis der Briefkastengründung in der Schweiz generell zu unterbinden.

Denn Holger Schatz geht von ca. 1000 Angestellten Nautikern aus die bei solchen Fake-Arbeitgebern arbeiten.

Erfreulicherweise hat kürzlich die die Basler Sozialdemokratische Partei eine Anfrage im Stadtparlament lanciert und die Regierung des Kantons aufgefordert, konkrete Fragen zu dem Ausmass der in der Schweiz registrierten Reedereien mit Schweizer Arbeitsverträgen zu liefern. Auf der Grundlage der dann gelieferten Daten könnte dann eine Charta ausgearbeitet werden mit konkreten Forderungen an die verantwortliche Regierung sowie die Betreiber der bestehenden  Hafeninfrastrukturen im Grossraum Basel.

Im Seminar stellte Holger Schatz bereits eine zentrale Stossrichtung der Charta vor. Er verwies auf das Beispiel der Behörde Port of Amsterdam, die jüngst in einem Rundschreiben an alle River Cruise Firmen, die Amsterdam ansteuern, erklärte, dass der Hafen ausbeutungsfrei sein solle. Aus diesem Grunde kooperiere man mit Nautilus International, die eingeladen sind, Schiffsbesuche an den Passengerterminals durchzuführen.

Entsprechend könnte nun auch in Basel eine Grundsatzerklärung an alle Kunden, auch die ausländischen Unternehmen aus dem Bereich Schiff, Bahn und LKW, die die Infrastruktur der Basler Häfen nutzen wollen, kommuniziert werden. Die Kunden würden dabei aufgefordert, den Gewerkschaften als Sachkundige der internationalen Regulierungen und Vertrauenskörper der Beschäftigten einen angemessenen Zugang zu den Beschäftigten zu ermöglichen, damit diese angstfrei ihre rechtlich verbriefte Koalitionsfreiheit wahrnehmen können.

Im Seminar ermutige Gastredner Kevin Rowan vom englischen Gewerkschaftsdachverband TUC uns in unserem Anliegen und stellte zwei erfolgreiche Kampagnen englischer Gewerkschaften vor. Sowohl hinsichtlich der Olympiade 2012 in London wie auch im Zuge des Ausbaus der Highspeed Zugtrassen HS2 ist es gelungen, verbindliche Vereinbarungen über viele Aspekte der Arbeitsbedingungen beim Bau, aber auch Betrieb der Strukturen zu treffen.

In der anschliessenden Diskussion gab es mehrere, zum Teil emotionale Wortmeldungen von Vertretern der anwesenden Schifffahrtsbranche, eines Terminalbetreibers, des Arbeitsinspektorats sowie der für die Registrierungen zuständigen Hafenbehörde. Es sei unverantwortlich von Nautilus den Eindruck zu erwecken, in den Häfen generell bzw. in der Schifffahrt der Schweiz herrschten „Ausbeutung“. Wenn überhaupt dann gäbe es wie überall einfach ein paar schwarze Schafe, die aber von den Behörden durchaus kontrolliert und sanktioniert würden.

Holger Schatz wies den haltlosen Vorwurf zurück, alle Schweizer Firmen diskreditieren zu wollen. Ein schwarzes Schaf, verweise immer auch auf eine Dunkelziffer unsichtbarer Probleme bei den „weissen“ Schafen. Es die Pflicht, die Strukturen zu benennen, die zu Missbrauch führten und an der Zeit für Schweizer Behörden, die Augen endlich aufzumachen – auch im Sinne der „guten“ Unternehmen, damit der Schifffahrtstandort Schweiz nicht zum Offshore-Hub verkommt.

Auch im Nachgang zum Seminar gab es viele Diskussionen. Die lokale Tageszeitung BAZ berichte in einem grossen sehr positiven Artikel über die „Dunkle Seite des Hafens“. Demgegenüber widmete die Schweizerische Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft in Ihrer Verbandszeitschrift der Veranstaltung 4 Seiten und versuchte dabei die Vorwürfe von Nautilus (bzw. die angeblichen Vorwürfe von Nautilus) zu diskreditieren.

Nautilus Schweiz wird nun in den kommenden Monaten die Diskussionen zum Anlass nehmen in einer zweisprachigen, professionellen Broschüre mit detaillierten Daten und Beispielen systematisch die diversen Probleme der (Schweizer) Binnenschifffahrt aufzulisten um Missverständnisse aufzuklären.


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